Eine session von Oliver auf dem gestrigen Sozialcamp hat mich dazu motiviert, über das Thema Sicherheit für Blinde und Sehbehinderte nachzudenken.
Dabei spielt es keine Rolle, ob die Kriminalität statistisch gesehen abnimmt und es spielt auch keine Rolle, welche Nationalität oder Gesinnung ein Täter hat. Wenn ich überfallen werde, interessiert mich nicht, wie statistisch wahrscheinlich es ist, an diesem Ort überfallen zu werden.
Vielleicht bin ich der Einzige, der das spürt, doch gibt es in der Großstadt eine latente Aggressivität, die von so ziemlich jeden Bürger zwischen 13 und 60 ausgeht. Man drängelt sich vor, tritt einem auf die Füße, ohne sich zu entschuldigen, fahrrad-klingelt und hupt wie ein Vollidiot und so weiter. Diese Aggressivität kann jederzeit in latente Gewalt umschlagen. Vielleicht habe ich auch nur falsche Erwartungen an die Großstadt.
Hinzu kommt die tatsächlich zunehmende Gewaltbereitschaft gegenüber Helfern wie Polizisten, Sanitätern oder Feuerwehrleuten. Lehrer, Pflegekräfte, Verwaltungsangestellte, Politiker – sie alle werden bedroht und leider bleibt es oft genug nicht bei Worten.
Ich möchte ausdrücklich dazu sagen, dass ich keine Angst davor habe, Opfer einer Gewalttat zu werden. Das liegt zum Einen daran, dass ich nicht wie ein leichtes Opfer aussehe, trotz meines Blindenstockes. Ich habe eine kräftige Statur und wirke wie ein Bulldozer, wenn ich durch die Landschaft pflüge.Wichtiger ist aber, dass ich Situationen aus dem Weg gehe, in denen ich Opfer werden könnte. Das Nachtleben reizt mich nicht, ich meide Menschengruppen und anrüchige Stadtviertel und wohne auch in einer Gegend, in der soweit ich weiß so gut wie nie etwas passiert.
Nichtsdestotrotz möchte ich hier ein paar Tipps sammeln, wie wir uns schützen können. Wenn ihr weitere Hinweise habt, schreibt sie gerne in die Kommentare, wenn ihr mögt auch anonym oder schickt mir eine Nachricht mit euren Hinweisen, ich werde sie dann gern hier veröffentlichen.
Risiken minimieren
Der erste Tipp, der immer gilt ist, dass wir Situationen vermeiden sollten, in denen Gefahren entstehen könnten. Noch mal zum Mitschreiben: Unsere wichtigste Aufgabe besteht darin, riskante Situationen für uns und unsere Lieben zu vermeiden, deshalb widmet sich fast der gesamte Beitrag diesen Vermeidungsstrategien. Am Ende des Beitrags sehen wir den Grund für diese Empfehlung.
Ich setze einmal voraus, dass ihr am Nachtleben und sonstigen Dingen teilnehmen wollt. Man kann auch zuhause überfallen werden und selbst, wenn da das Risiko gering ist: Wenn wir aus Angst zuhause bleiben, haben die Arschlöcher gewonnen.
Jeder kennt in seinem Heimatort die Ecken, in denen es gefährlich werden kann. Dazu gehören auch bestimmte Bahnstationen, Waldwege, Hinterhöfe und was euch noch so einfällt.
Man sollte auch nie zu würdevoll oder feige sein, um eine Begleitung durch einen Freund zu bitten und auch nicht zu geizig für ein Taxi.
Schau nicht wie ein Opfer aus
Schläger und Kriminelle sind in der Regel faule und feige Typen. Sie suchen sich ihre Opfer gezielt danach aus, ob sie leichtes Spiel mit ihnen haben. Bei Vergewaltigungen zum Beispiel geht es dem Vernehmen nach weniger um Sex als um Macht und Macht gibt es nur dort, wo sich jemand unterwirft.
Es sind vor allem Körpersignale wie ein geneigter Kopf sowie ein eiliger und verschüchterter Gang. Es gibt noch mehr Signale, die ich allerdings selber nicht kenne, da ich sie auch nicht bei Anderen wahrnehmen kann.
Auch das Äußerliche wie Aussehen und Kleidung können eine Rolle spielen. Flapsig gesagt: Habe ich mein Lieblingskuschltier an meinem Rucksack hängen, sehe ich nicht besonders wehrhaft aus.
Es gibt Selbstbehauptungstrainings zum Beispiel von den Frauenbüros, wo ihr genau so etwas lernen könnt – ein Stichwort dazu ist Wen-Do. Ob es was Vergleichbares für Männer gibt, weiß ich nicht.
Stetige Aufmerksamkeit bewahren
Das heißt, wir halten ständig unsere Umwelt im Auge. Als Blinde müssen wir das ohnehin tun, da wir ja ständig von Gefahren anderer Art wie Stolperfallen, Passanten oder Fahrzeugen umgeben sind.
Zusätzlich sollten wir unseren geistigen Fokus auf weitere verdächtige Elemente richten: Eilige Schritte, die direkt auf uns zukommen, verdächtiges Rascheln in einem Hauseingang, der Geruch eines Afterschaves, wo eigentlich niemand sein sollte und so weiter. Das klingt komplizierter, als es ist. Es geht darum, den Alltag achtsam wahrzunehmen und nicht die ganze Zeit nur auf das Handy zu hören oder gar Stöpsel im Ohr zu haben.
Körperliche Fitness bewahren
Generell ist es sinnvoll, eine Kampfkunst zu beherrschen. Ich kenne mich hierbei nicht aus, deswegen will ich keine Empfehlung abgeben. Als Selbstverteidigung wird Krav Maga häufig empfohlen. Ich kann aber nicht einschätzen, ob es für Blinde gut geeignet ist. Kampfkunst ist besser als Kampfsport, weil Kampfsportarten den sportlichen Aspekt in den Vordergrund stellen. Es gibt auch Selbstverteidigungstraining mit dem Blindenstock, wobei ich ich mir nicht sicher bin, wie sinnvoll das ist. Ich selbst habe an solchen Kursen bisher nicht teilgenommen.
Generell gilt: Ein Selbstverteidigungstraining ist nichts, was man einmal und nie wieder macht. Sind die Bewegungen nicht durch regelmäßige Übung in Fleisch und Blut übergegangen, bringt es nichts und man kann es gleich ganz lassen. Entscheidend ist übrigens, dass man im Falle eines Falles auch bereit ist, das Gelernte auch gegen einen Menschen einzusetzen. Klingt banal, doch wir alle haben eine natürliche Abneigung dagegen, andere Menschen zu verletzen. Das ist durchaus sinnvoll und eine zivilisatorische Errungenschaft. Doch zögern wir im falschen Moment, wird uns das Gelernte auch nicht weiterbringen.
Außerdem sollte man generell auf die eigene Fitness achten. Bodybuilding ist absolute Show und ansonsten Zeitverschwendung. Aber eine gewisse Kondition und Kraft sollte jeder von uns schon seiner Gsundheit zuliebe haben.
Oliver empiehlt außerdem Trainings zur Stärkung der Gleichgewichts- und Körperkoordination. Es geht darum, seinen Körper zu kennen. Außerdem kann das unsereins bei der Sturzprävention helfen.
Ein Nebeneffekt körperlicher Fitness ist ein erhöhtes Selbstbewusstsein. Das ist natürlich immer nützlich, aber vor allem dann, wenn wir wie oben beschrieben nicht wie ein Opfer aussehen wollen.
Das hinguckende Weggucken
Klingt ein wenig nach Zen, ist aber recht simpel: Man sollte seine Mitmenschen im Auge behalten, ohne Blickkontakt herzustellen. Blickkontakt wird häufig als Aufforderung zu Irgendwas verstanden und kann auch als Ängstlichkeit interpretiert werden. Ebenso kann aber auch das krampfhafte Weggucken als Ängstlichkeit interpretiert werden. Der Mittelweg scheint also am sinnvollsten zu sein.
Das funktioniert natürlich nur für Sehrestler, aber Vollblinde können immerhin steuern, ob sie geradeaus oder auf den Boden schauen.
Allgemeine Tipps
Und hier ohne Priorität ein paar allgemeine Tipps:
- Wenn wir irgendwo länger stehen, sollten wir immer eine Wand oder etwas Anderes im Rücken haben, so bieten wir weniger Angriffsfläche.
- Taschen sollte man entweder am Körper tragen oder zwischen die Beine stellen. Ich staune immer wieder darüber, wie viele Blinde sich leichtfertig beklauen lassen. Wertsachen, die nicht ständig gebraucht werden, sollten zuhause bleiben
- Wertsachen wie Brieftaschen oder teure Handys sollten möglichst nicht offen gezeigt werden. Sie wecken nur Begehrlichkeiten bei Anderen. BTW sollte man seine Kärtchen lieber in einer seperaten Brieftasche aufbewahren und nur das Bargeld in der Gesäß-Brieftasche haben. So ist man nicht gleich alles los, wenn man beklaut wird. Und vor allem kennt der Täter nicht Deine Adresse, weil er Deinen Personalausweis hat.
- Man sollte immer mindestens einen Schritt Abstand zwischen sich und eine potentiellen Gefahrenquelle wie einer Straße, Bahnschienen oder einer Treppe haben. Ein kräftiger Stoß reicht schon aus, um uns umkippen zu lassen. In dem Zusammenhang sollte man sich auch immer so hinstellen, dass man einen sicheren Stand hat, also etwa das Hauptgewicht auf dem hinteren Bein haben, das zweite Bein nach vorn stellen und die Füße leicht spreizen, so kann man weniger leicht von hinten oder von der Seite umgestoßen werden.
- In Bus und Bahn sollte man sich nie in eine Situation begeben, in der man bedrängt werden kann. Also nicht auf die Innenseite setzen und wenn sich jemand neben euch setzen möchte, steht auf und lasst ihn rein oder er hat Pech gehabt.
- Wenn ihr alleine seid, tut so, als ob ihr zu einer Gruppe gehört. Stellt Euch nahe der Gruppe auf oder setzt euch in den Öffis in deren Nähe. Natürlich nur, wenn diese Gruppe harmlos ist, sie zum Beispiel aus Frauen und Männern besteht.
- Nutzt lieber Haltestellen, an denen viele andere Menschen aus- bzw. zusteigen, auch wenn die Wege dadurch länger werden
- Hauptstraßen sind immer besser als Nebenstraßen, auch wenn der Weg dann länger dauert.
- Verwendet immer bekannte Wege, wenn ihr nachts unterwegs seid. Dort seid ihr wahrscheinlich, fühlt euch aber auf jeden Fall sicherer.
- Reizgas ist in den meisten Situationen Mist, schlecht zu finden und das Meiste kriegt man selbst ab, wenn man überhaupt zum Schuss kommt. Das Gleiche gilt für Messer.
- Nehmt möglichst immer eine Person eures Vertrauens mit, auch wenn diese Person euch nervt.
- Lasst niemanden ins Haus, wenn er euch nicht bekannt oder angemeldet ist. Wenn jemand von einer Behörde oder anderen Stelle sein will, ruft dort an. Am besten geht ihr nicht an die Tür, wenn ihr nicht jemanden erwartet
Und wenn es doch passiert
Was im Falle eines Falles zu tun ist, hängt immer von der konkreten Situation ab: Wenn jemand euer Handy oder eure Brieftasche will, dann gebt sie ihm. Wer ein teures Handy oder eine Brieftasche voller Bargeld mit sich schleppt oder den PIN auf die Bankkarte geschrieben hat, ist danach hoffentlich trotzdem unverletzt, am Leben und hat eine gute Lektion gelernt.
Andere Situationen sind komplizierter: Im Zweifelsfall ist es immer schwierig für uns, eine Gefahrensituation richtig einzuschätzen. Folgende Möglichkeiten gibt es:
- Um Hilfe rufen: So laut wie möglich um Hilfe rufen. Schon die mögliche Aufmerksamkeit der Umgebung kann helfen.
- Weglaufen, wenn man sich das zutraut: Für unsereins ist es schwierig, doch manchmal möglich. Wie oben erwähnt sind die meisten täter zu faul oder zu feige, um euch zu folgen, um so mehr, wenn ihr beim Weglaufen um Hilfe schreit.
- Verhandeln: Damit ist nicht gemeint, um Gnade zu flehen, sondern eher etwas wie „Verpiss Dich, Du Arschloch“. Wie gesagt haben es die Täter auf leichte und ängstliche Opfer abgesehen und sie riechen Angst noch drei Meilen gegen den Wind. Wenn jemand sich so verhält, als ob er sich wehren kann und wird, wird man im Zweifel von ihm ablassen.
- Kämpfen: Ich nenne dies als Letztes, weil wir praktisch keine Situation richtig einschätzen können. Der Täter ist nicht so nett, uns zu sagen, ob er einen Baseballschläger, ein Messer oder eine Pistole auf uns richtet. Er sagt uns nicht, ob er Kickboxer, oder Judomeister ist. Wir sehen nicht, ob er kräftig oder ein Würstchen ist. Mit anderen Worten: Wir können unseren Gegner und die Umgebung null einschätzen
und wenn wir kämpfen, müssten wir von Anfang an darauf setzen, den Gegner möglichst mit dem ersten Akt auszuschalten, denn ein leichter Angriff wird ihn eher aggressiver machen und was er als Nächstes tun wird, wissen wir nicht. Wie oben geschrieben müssen wir bereit sein, den Anderen ggf. zu verletzen und sind wir das nicht, sollten wir lieber davonlaufen.
Deswegen sollten wir, wie oben geschildert, immer versuchen zu vermeiden, in solche Situationen zu kommen.
Einem Kampf aus dem Weg zu gehen ist Klugheit und nicht Feigheit, denn in den meisten Fällen werden wir keine Chance haben, unversehrt aus so einer Situation zu kommen.
Tipps für Frauen bietet auch der DBSV in einer kostenlosen Broschüre.
Adaptive Krav Maga ist eine Selbstverteidigungstechnik, ein für Behinderte angepasstes Krav Maga.
Hallo, ich glaube nicht, dass blinde von Gewalt bedroht sind. Hätte die ganzen Beitrag ist Quatsch. Das jo Achim h joachim@gmx.de Hallo, ich glaube nicht, dass blinde von Gewalt bedroht sind. Hätte die ganzen Beitrag ist Quatsch.
Doch ich bin blind bin schon oft belästigt worden bin auch einfach in den Rücken geschlagen worden bin auch sexuel belästigt worden auf offener Straße mein Glück war nur es ist gerade ein Passant gekommen blinde können genauso gut betroffen sein wie jeder andere auch
Ich müsste meinem Vorredner zustimmen. Ich hatte den Beitrag für völliger Quatsch. Gewalt wird hier übertrieben dargestellt. Es passiert doch eigentlich gar nichts. das Michael Schmidt Michael Schmidt
Beim auf sich aufmerksam machen, den Täter siezen, lassen Sie mich in ruhe oder ähnliches. Damit klar ist, dass man den Täter nicht kennt und geholfen werden soll. Selbst wenn man ihn kennt.
Das ist am besten zu Hause bleiben, da kann man solche Probleme nicht bekommen.
Ich bin seit 40 Jahren als Blinder unterwegs und mir ist noch nie etwas passiert. Auch sind die Leute stets hilfsbereit und freundlich zu Blinden. Deshalb halte ich diesen Beitrag für Überflüssig.