Vor ziemlich genau einem Monat schrieb ich den ersten Beitrag zum Corona-Virus und wie er sich auf Blinde auswirkt. Inzwischen ist klar, dass der Virus uns wahrscheinlich ein Jahr, vielleicht noch länger beschäftigen wird. Und damit auch die damit verbundenen Einschränkungen.
Physische Distanz – Fragen ohne Antworten
Die Normalität, wie wir sie kannten wird erst einmal nicht zurückkehren. Wir haben uns an Abstände in den Supermärkten, in den Öffis und auf der Straße mehr oder weniger gewöhnt, an Wachleute vor Supermärkten, an Schlangen vor Banken, an Menschen mit Gesichtsschutz. Doch solange die Kontaktsperre aufrecht erhalten blieb, waren die Erschwernisse nicht so schwerwiegend. Was aber passiert, wenn wir zur neuen Normalität kommen?
Wenn wir zum Beispiel mit dem Zug oder mit dem Flugzeug (wenn das mal erlaubt sein wird) fliegen wollen, benötigen wir Assistenz. Wir brauchen Menschen, die uns zum Gate, ins Flugzeug, an den richtigen Platz bringen, uns durch Bahnhöfe begleiten und so weiter. Wie das mit physischer Distanz funktionieren soll, kann ich mir nicht vorstellen.
Wie viele Passanten werden wohl stehen bleiben, wenn wir sie jetzt nach dem Weg fragen? Wie sollen wir uns Hilfe etwa an Hotel-Buffets holen? Wer wird uns vor Hindernissen warnen, wenn jeder nur noch darauf achtet, möglichst viel Abstand zu haben?
Abstand halten ist in einer fast leeren Bahn kein Problem. Zur Not setzt man sich als Blinder auf den erst besten freien Platz und verscheucht damit den Sitznachbarn, der bessere Chancen hat, die Distanz zu halten. Aber wie das in den so oder so überfüllten Bahnen und Bussen funktionieren soll, wenn die Mehrheit wieder ins Büro oder in die Schule geht, das ist vollkommen unklar.
Das Ende der Hilfsbereitschaft?
In der Umstellungszeit und zu Ostern haben sich viele lokale Hilfsgruppen gebildet, die ältere und behinderte Menschen unterstützt haben. Ich will das nicht kleinreden, aber es war noch relativ einfach, als man sowieso nicht ins Büro konnte. Was aber passiert, wenn die Mehrheit wieder ins Büro muss oder aus dem Home Office arbeitet? So oder so ist diese eher informell organisierte Hilfe von einem stetigen Zustrom Freiwilliger abhängig, der wahrscheinlich irgendwann abreißen wird.
Aber die Beschränkungen bleiben gerade für gefährdete Personen bestehen. Sie sind sogar noch stärker gezwungen, sich zu schützen. Wenn nämlich die Kontaktsperren verringert oder aufgehoben werden, die Kinder wieder in Kita und Schule und die Erwachsenen ins Büro und auf Partys gehen, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass diese sich mit Corona anstecken und diejenigen anstecken, denen sie helfen wollen. Je mehr die Zeit voran schreitet, desto weniger werden sich die nicht unmittelbar Betroffenen an die Kontaktsperren halten – es sei denn, die Strafen dafür werden drastisch erhöht. Ich bin zwar mit viel Fantasie gesegnet, aber eine 1,5-m-Distanz-Party mit Desinfektionsspendern kann ich mir nicht vorstellen.
Viele Fragen, keine Antworten
Wie oben angedeutet, habe ich auf diese Fragen keine Antworten. Ich musste sie einmal aufschreiben, da sie mir im Kopf herumgeschwirrt ist.
Vermutlich werden viele Einschränkungen bis nach den Sommerferien aufrecht erhalten. Im September könnte die neue Normalität mit voller Wucht einsetzen.
Ich hoffe, dass wir bis dahin ein paar Antworten gefunden haben werden.
Selten so einen sinnloser Quatsch gelesen Daniela Müller Daniela Müller