Das Campaigning ist eine der spannensten Aufgaben für PR-Profis. Im folgenden möchte ich einen kleinen Leitfaden für Nonprofit-Organisationen und Einzelgruppen anbieten. Ich freue mich über Kommentare und Hinweise zur Verbesserung.
Als praktisches Beispiel verwende ich durchgehend eine Kampagne, die die Bürger einer Stadt zur Blutspende animieren soll.
Der Leitfaden richtet sich an Menschen und Organisationen, die wenig oder gar kein Geld ausgeben können. Viel Geld ist kein Garant für Erfolg. Entscheidend sind die Personen, die dahinter stehen.
Leute, die sich mit PR auskennen werden schnell merken, dass ich auch Methoden aus anderen Bereichen aufgegriffen habe. Vieles kommt zum Beispiel aus dem Marketing, es kann nicht schaden, sich auch in anderen Bereichen zu bedienen. Ich wünsche gute Erkenntnisse bei der Lektüre.
Analyse
Ressourcen-Planung
Auch wenn wir von einer Low-Cost-Kampagne ausgehen, brauchen wir einiges an Human Power. Ich gehe der Einfachheit davon aus, dass für die Kampagne ein kleines Team zur Verfügung steht, das einen Großteil seiner Zeit mit der Kampagnenarbeit verbringen kann.
Für den Anfang benötigen wir neben dem Kampagnenleiter zumindest am Anfang einen Grafiker und einen Texter, die sich um Motive und Texte kümmern. Wir benötigen dauerhaft jemanden, der sich um die technische Infrastruktur kümmert, z.B. um die Webseite oder die technische Administration der Social-Media-Kanäle. Daneben benötigen wir einen Menschen, der sich inhaltlich um die Pflege der Webseite und der Social-Media-Inhalte kümmert. Ein Online-Redakteur sollte beide Aufgabenbereiche übernehmen können.
Wenn geplant ist, Broschüren oder Plakate zu verteilen, wird natürlich jemand benötigt, der die Dinger aufklebt. Das ist nicht überall gestattet, also ein wenig Erfahrung sollte nicht schaden.
Ist geplant, klassische Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zu machen, wird ein entsprechend erfahrener Mensch benötigt. Schlechte Öffentlichkeitsarbeit kann mehr Schaden anrichten als gar keine.
Der Kampagnenleiter sollte möglichst ein wenig Erfahrung in Kampagnenmanagement haben. Er behält den Überblick, übernimmt die Planung von Zeit, Budget und Ressourcen, motiviert und organisiert das Team und kümmert sich ggf. um die Anpassung von Strategie und Taktik. Er baut wenn nötig Kontakte zu hilfreichen Personen und Organisationen auf und pflegt diese auch.
Fluktuation im Team ist oft nicht zu vermeiden, vor allem, wenn es aus Ehrenamtlichen besteht. Nach Möglichkeit sollte es neben dem Kernteam auch weitere Mitglieder geben, die mit regelmäßigen Aufgaben betraut werden. Wenn eine Person aus dem Kernteam ausfällt, sollte eine dieser Personen aus dem erweiterten Team dessen Position relativ schnell einnehmen können. Das Kernteam sollte aus vier bis sechs Personen bestehen, wobei jede Person eine Stellvertretung haben sollte.
Es ist nicht nötig, ein Team aus lauter PR-Profis zusammenzustellen. Ich finde es hervorragend, Experten aus unterschiedlichen Bereichen zu haben, die ihre jeweils eigene Sicht einbringen können. Auch wenn Wirtschaftswissenschaftler eher unbeliebt sind, bringen sie Talente mit, auf die man nicht verzichten sollte. Im Allgemeinen kennen sie sich mit Strategie-Entwicklung aus, mit Projektmanagement und Rechnungswesen, so dass sie im Team wichtige Aufgaben übernehmen können.
Groß vs. klein
Eine große Organisation hat viele Vorteile: es stehen viele Personen zur Verfügung, das Budget ist größer und die Bekanntheit der Organisation erleichtert z.B. die Pressearbeit. Gleichzeitig ist Größe kein Garant für Erfolg. Große Organisationen neigen dazu, zu konservativ und wenig innovativ zu sein. Sie sind häufig mit sich selbst beschäftigt und geben viel Geld für wenig Wirkung aus.
Kleine Organisationen haben zwar geringe Mittel, sind dadurch aber auch gezwungen, die Mittel sparsam einzusetzen. Sie müssen mehr Kreativität aufwenden und im Prinzip soviel wie möglich selber machen. Das wichtigste Kapital einer Kampagne sind nicht die Webseite, die Plakate und das Budget, sondern die Menschen, die dahinter stehen und ihre Fähigkeiten. Und darin unterscheiden sich große und kleine Organisationen kaum.
Learning by Doing
Als echter Autodidakt denke ich, dass man sich die meisten Dinge selbst beibringen kann. 90 Prozent dessen, was man im Studium gelernt hat, wird man im Berufsleben ohnehin nie brauchen. Deswegen braucht man nicht unbedingt den studierten Grafikdesigner oder den Trainee-PR-Profi. Nützlicher sind Leute, die zum einen flexibel, neugierig, offen und lernfähig sind. Im Idealfall haben sie eine Affinität zum Fotografieren, zur Gestaltung von Webseiten oder zum Schreiben von PR-Texten und können sich das nötige Handwerk im laufenden Betrieb aneignen. Vieles kann man sich auch günstig über Online-Kurse oder die Volkshochschule aneignen.
Das ist aber kein Plädoyer für schlampige Arbeit. Für mich als Einzelperson kann es relativ egal sein, ob ich hier viele Tippfehler mache oder ob meine Bilder verrauscht sind. Für eine Organisation – auch eine kleine – kann Schlamperei tödlich sein. Nehmen wir an, ich machte Fundraising vor Ort und mein Sponsor sieht plötzlich eine handwerklich schlecht gemachte Broschüre, wo vielleicht noch sein Name als Sponsor vorne drauf steht. Auch wenn man sich vieles selbst beibringen kann, ab einem gewissen Zeitpunkt geht es nicht ohne eine bestimmten Grad an Professionalität. Die Themen Recht, Finanzen und PR können leider nicht so locker gehandhabt werden, wie wir das gerne hätten.
Was ist eine Kampagne
Was ist eigentlich eine Kampagne? Grob gesagt ist eine Kampagne ein Projekt mit einem bestimmten Ziel, einem bestimmten Zeitrahmen, einem bestimmten Budget und bestimmten Ressourcen. Es gelten also im Prinzip die gleichen Regeln wie im Projektmanagement und man kann auch teilweise ähnliche Instrumente benutzen. Wie ein Projekt ist eine Kampagne zeitmäßig, finanziell und in ihren Zielen beschränkt. Trifft eines dieser Kriterien nicht zu, dann ist es etwas anderes.
Natürlich ist der Begriff eher schwammig gehalten. Wir sprechen auch oft von Projekten, die nicht die Definition des Projektmanagements erfüllen, weil sie zeitlich unbegrenzt laufen. Wem das aber egal ist, wie lang die Kampagne läuft oder wie viel sie kostet, der kann das mit der Konzeption auch gleich ganz lassen und anything goes als Motto wählen.
Eine Kampagne besteht grob aus drei Schritten:
Planung
Ausführung
Messung
Das ist ziemlich verkürzt der Qualitätsmanagement-Zyklus, wobei der erste Schritt – die Planung – ab der Kampagnendurchführung durch den Schritt „Anpassen ersetzt wird. Der Zyklus lautet also ab der zweiten Runde
Durchführen
Messen
Nachbessern
Die Planung einer Kampagne besteht aus folgenden Schritten:
Analyse
Zieldefinition
Bestimmung der Zielgruppen
Bestimmung der Mittel und Methoden/Planung der Ressourcen
Durchführung
Evaluation
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Obwohl ich ein Freund des Ausprobierens bin und lange Planungszyklen nicht in jedem Falle sinnvoll sind, sieht das beim Campaigning ein wenig anders aus.
Strategie und Taktik
Strategie und Taktik sind die Königsdisziplin in der Kampagnengestaltung. Beide erfordern abstraktes Denken, eine gute Voraussicht und das Denken auf mehreren Ebenen. In der Strategie entscheiden wir nicht nur, wie wir vorgehen. Wir versuchen uns vorzustellen, wie andere handeln werden. An dieser Stelle wäre es phantastisch, einen erfahrenen Campaigner an der Hand zu haben, der einem bei der Strategie-Entwicklung hilft.
An dieser Stelle würden wir zum Beispiel festlegen, wie wir potentielle Blutspender am besten erreichen würden und wie wir sie nicht erreichen können.
Aufgrund der geringen Größe unseres Einzugsgebietes kommen z.B. Fernseh- oder Radiospots nicht infrage. Die wären ohnehin zu teuer. Auch Anzeigen in der Zeitung scheinen aufgrund der hohen Preise bei geringer Reichweite nicht so sinnvoll. Dagegen kann mit Plakaten lokal sehr viel erreicht werden.
Wobei Plakate schon wieder zur Taktik gehören. In der Strategie hingegen sagen wir, wir konzentrieren uns auf lokal wirksame und reichweitenstarke Kommunikationsmethoden.
Rambo oder Gandhi
Generell gibt es zwei große Strategie-Richtungen, aus denen sich Unterstrategien ableiten lassen: Offensiv und defensiv. Eine offensive Strategie ist dann nützlich, wenn man zum einen ein guter Akteur mit einer im wesentlichen anerkannten Mission ist. Das typische Motiv ist David gegen Goliath. Fährt man hingegen als guter Akteur gegen einen anderen guten Akteur, ist eine offensive Strategie nicht angebracht. Eine defensive Strategie ist angebracht, wenn man selbst nicht als guter Akteur eingestuft wird oder man keinen eindeutigen Gegner hat. Als Verfechter von Blut- oder Organspenden verfolgen wir zwar einen guten Zweck, haben aber keinen eindeutigen Gegner.
Generell gilt: wer angreift, muss auch einstecken können. Gelegentlich kehrt sich das Verhältnis um und aus David wird Goliath, so vor kurzem bei der Schwarzbuch-Affäre einer Umweltstiftung. Eine offensive Strategie ist zwar generell aufmerksamkeitsstark, kann aber auch schnell verpuffen, weil der Reiz irgendwann weg ist. Das Team fühlt sich dann irgendwann gezwungen, immer stärker aufzudrehen, um noch einen Effekt zu erreichen und schießt über das Ziel hinaus.
Die Strategie legt außerdem den Medienmix fest. Es gibt heute keine Kampagne ohne Webseite. Die Webseite kanndarauf angelegt sein, zu informieren oder die Leute zum Mitmachen animieren. Welche Methoden die Leute zum Mitmachen animiert ist wiederum Taktik.
Die Taktik ist die konkrete Umsetzung der Strategie in Maßnahmen. Wir wollen die Leute zum Mitmachen animieren, also müssen wir ihnen Mittel anbieten, damit sie das schaffen.
Szenariotechnik
Ein unterschätztes, aber mächtiges Mittel, um Strategien zu entwickeln sind Szenarien. In einem Szenario spielen wir einmal durch, was passieren würde, wenn wir unsere Kampagne gestartet hätten. Das geht am besten per Rollenspiel, wobei jeder Teilnehmer sich in die Position eines Akteurs versetzt und zu antizipieren versucht, wie er sich verhalten würde, wenn er mit der Kampagne konfrontiert wird. Dabei kommen auch Aspekte der spieltheorie ins Spiel.
Die Spieltheorie ist eine Methode, um das mögliche Verhalten von Akteuren vorauszusehen. Es gibt komplexe mathematische Modelle dazu, aber so tief möchte man sich wohl nicht darin versenken. Es gibt aber archetypische Verhaltensweisen, die fast in jeder Situation zutreffen. So viele mögliche Verhaltensweisen gibt es ja auch nicht:
•Der Akteur kann angreifen, das heißt, mit einer eigenen Aktion reagieren
•Der Akteur kann defensiv ragieren, also versuchen, abzuwiegeln
•Der Akteur kann sich dazu entscheiden, gar nicht zu handeln
Das Gar-Nicht-Handeln klingt zunächst wie Passivität, aber Handeln ist nicht in jedem Falle das Richtige. Im Falle der Shitstorms zum Beispiel werden Unternehmen oft kritisiert, weil sie gar nicht handeln würden. Tatsächlich handeln sie natürlich im Hintergrund, gehen damit aber nicht unbedingt an die Öffentlichkeit. Erfahrene PR-Leute wissen, dass Reagieren oft das Schlimsste ist, was sie tun können, weil ein Shitstorm sich ebenso wenig beruhigen lässt wi ein Hurrikan. Sie wissen aber auch, dass der Shitstorm in der Regel nach ein bis zwei Wochen weiterzieht und sich nach weiteren vier Wochen kaum noch jemand an die Episode erinnert.
Man kann nicht nicht kommunizieren ist wohl der berühmteste Ausspruch von Paul Watzlawick. Ein Nicht-Reagieren kann deshalb auch als Zeichen der Souveränität gedeutet werden. Wir erinnern uns an diverse Affären, die erst durch die Betroffenen bekannt gemacht wurden – unabsichtlich. Das wird als Streisand-Effekt bezeichnet. Die bekannte Schauspielerin ging eines Tages gegen Luftaufnahmen ihres Grundstückes vor und machte dadurch erst einer breiten Öffentlichkeit bekannt, dass es diese Aufnahmen gab.
Weiterlesen
•Dietrich Dörner. Die Logik des Misslingens. Rowohlt 1989
•Martin Lehner, Falko E. P. Wilms. Systemisch Denken klipp und klar. Orell Füssli; 2002
•sowie das bereits erwähnte Buch von Peter Metzinger. Business Campagning
Zielgruppen bestimmen
Nachdem wir wissen, was wir erreichen wollen wissen wir normalerweise auch, wen wir erreichen wollen. Wir alle kennen die Geschichte über den Pfarrer, der sich während der Messe bei der anwesenden Gemeinde über diejenigen beschwert, die zuhause geblieben sind. Ebenso kämpfen die meisten Kampagnen mit dem Freundesdilemma: sie erreichen vor allem diejenigen, die ohnehin schon Bescheid wissen oder bekehrt wurden. Um es klar zu sagen, das Dilemma hat bisher noch niemand auflösen können. Die Frage ist weniger das Wie als das Was. Was sind wir bereit zu zahlen bzw. wie viele Ressourcen wollen wir aufwenden, um jemanden zu erreichen.
Einige religiöse Gruppen senden ihre jungen Leute in alle Welt, um die Menschen vor Ort zu bekehren. Ein besseres Training für Verkäufer oder Missionare gibt es nicht. Stell dir vor, du müsstest in ein fremdes Land reisen, um fremde Leute in einer fremden Sprache von deinen Anliegen zu überzeugen, das die Betroffenen bestenfalls gering interessiert?
Von der Zielgruppe hängt so einiges ab. Wie gestalten wir unsere Motive und Texte? Wo platzieren wir unsere Anzeigen?
Ist die Zielgruppe identifiziert, geht es darum, Informationen über deren Verhalten einzusammeln. Je nachdem, wie die Zielgruppe definiert wird, können unterschiedliche Faktoren interessant sein.
Eine Zielgruppe sollte immer exakt spezifiziert werden, da die Ziele ansonsten nicht erreichbar sind. Ein Experte erfordert andere Herangehensweisen als zum Beispiel ein Laie. Ein Mensch mit einem geringen Einkommen wird normalerweise anders erreicht als eine Person mit einem mittleren Einkommen.
Nehmen wir an, wir wollten einen Menschen im Alter zwischen 30 und 50 mit einem Einkommen zwischen 30.000 und 40.000 Euro Jahreseinkommen erreichen. Er oder sie wohnt in Köln Mühlheim. Was müssten wir tun, um diese Zielgruppe zu erreichen?
Informationen sammeln
Zunächst sollten wir, soweit vorhanden versuchen, Informationen über die Einstellungen dieser Gruppe zum Fahrrad zu bekommen. Oft kann es sinnvoll sein, nach dem Zufallsprinzip Leute aus dieser Gruppe in einer Fokusgruppe zu sammeln und nach ihren Einstellungen zum Blutspenden zu befragen.
Wie wir aus der Serie Dr. House wissen, lügen alle „Patienten“. Lügen ist natürlich ein zu starkes Wort. In der Regel sind sie sich nicht im klaren darüber, warum sie etwas bestimmtes tun oder nicht tun. Sie suchen dann ach Entschuldigungen dafür, warum sie ein sozial erwünschtes Verhalten nicht erfüllen.
Aus dieser Befragung können wir aber zumindest schon einige Anhaltspunkte für unsere Zielsetzung gewinnen. Wir wissen, welche Maßnahmen ergriffen und eingeleitet sein müssen, bevor eine Kampagne überhaupt sinnvoll ist. Dazu gehören villeicht günstigere Öffnungszeiten der Blutspende, bessere Parkmöglichkeiten, eine bessere Busanbindung und so weiter. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, brauchen wir die Kampagne gar nicht erst zu starten.
Segmentierung
Um unsere Zielgruppen zu bestimmen nehmen wir eine Segmentierung vor, eine Methode aus dem Marketing. Wir teilen unsere Gruppe nach bestimmten Kriterien auf. Der Einfachheit halber gehe ich hier von der 5*20-Regel aus, das heißt, jedes Segment ist genau 20 Prozent groß.
•Wir haben 20 Prozent regelmäßige Blutspender. Sie müssen bei der Stange gehalten werden, indem sie davon überzeugt werden, dass sie das richtige tun und dass sie für wichtig gehalten werden.
•Wir haben 20 Prozent unregelmäßige Blutspender. Sie wissen um die Wichtigkeit der Spende, vergessen es aber, sich regelmäßig darum zu kümmern. Sie müssen stärker motiviert werden.
•Wir haben 20 Prozent Neutrale: Sie wissen vielleicht, warum sie Blut spenden sollten, aber spenden aus unterschiedlichen Gründen nicht selbst. Vielleicht glauben sie fälschlicherweise, sie kämen nicht in Frage, halten die Spende für gesundheitsgefährdend oder haben sonstige Bedenken. Sie müssen überzeugt werden.
•Es gibt die 20 Prozent Zweifler. Sie wissen nichts über die Notwendigkeit der Blutspende, wären aber bereit zu spenden, wenn sie davon überzeugt werden.
•Es gibt die 20 Prozent Verweigerer. Zu ihnen zählen wir fairerweise auch jene, die nicht spenden dürfen, weil sie promiskuitiv sind, Alkohol oder Drogen konsumieren, regelmäßig Medikamente nehmen oder Leute, die misanthropisch veranlagt sind. Diese Gruppe sollte in Ruhe gelassen werden, da sie mit vernünftigem Mitteleinsatz nicht zur Spende zu bringen sind.
In der Theorie kann jeder überzeugt werden, nur steht die Mühe zu ihrer Überzeugung in keinem Verhältnis zu den aufzuwendenden Mitteln. Es gibt eine Geschichte über einen schwarzen Arzt, der seinem Schwiegervater in Spe nur das Leben retten musste, damit dieser ihn als Mann seiner Tochter akzeptierte. Da wir aber nicht jedem Blutspende-Muffel das Leben retten können, lassen wir die Misanthropen in Ruhe und kümmern uns um den Rest.
Wir haben also ein Segment von 20 Prozent von Leuten, die motiviert oder bei der Stange gehalten werden müssen und ein weiteres Segment von 40 Prozent, die überzeugt werden müssen. Die oberen 20 Prozent erreichen wir mit unser Kampagne ohnehin, so dass wir sie nicht extra berücksichtigen wollen.
Im Marketing gäbe es auch andere Methoden der Segmentierung. Wir könnten z.B. vom Einkommen, Bildungsstand oder Alter ausgehen. Wir sehen aber schnell, dass diese Segmentierung bei unserem Projekt keine große Rolle spielt. Das Alter spielt für die Blutspende keine große Rolle, Einkommen und Bildung sind ohnehin egal.
Aus der Zielgruppensegmentierung können wir die nötigen Maßnahmen ableiten. Wir versuchen möglichst viel über die potentiellen Zielgruppen herauszufinden, zum Beispiel über ihren Medienkonsum, um die nötigen Maßnahmen herauszufinden.
Personas
Wem es schwer fällt, sich Menschen aus seiner Zielgruppe vorzustellen, der kann mit Personas arbeiten. Personas sind ein einfaches, aber sehr effizientes Arbeitsmittel.
Personas werden bisher vor allem im Webdesign verwendet. Sie sind idealtypisch gestaltete Charaktere mit einer fiktiven, aber realistischen Biographie. Sie sollten einen Namen, Vorlieben, Hobbies und die Grundzüge einer Vita bekommen, aber nicht zu detailliert ausgefeilt werden, weil sie ansonsten zu individuell und eben nicht mehr idealtypisch sind. Um es noch ein wenig plastischer zu machen, können wir auch Bilder unserer Personas erstellen. Um es wie schon beschrieben nicht zu detailiert zu machen, nehmen wir keine Fotos realer Personen, sondern fertigen einfache Strichzeichnungen an.
Nennen wir eine Persona Nina. Nina ist 35 Jahre alt, verheiratet und hat ein drei Jahre altes Kind. Sie wohnt in einem mittelständisch geprägten Stadtviertel wie Köln Süd und arbeitet halbtags – wegen ihres Kindes – in der PR-Abteilung eines mittelständischen Unternehmens. Sie ist eher ökologisch orientiert, fährt also viel mit dem Fahrrad und den öffentlichen Verkehrsmitteln. Sie ist eher sportlich orientiert und kauft öfter Biolebensmittel, ist aber keine Vegetarierin.
Nehmen wir hingegen Frank, 68 Jahre alt. Er wohnt in einem Kölner Arbeiterviertel, trinkt gerne mal einen und hält ehrenamtliches Engagement für Hippie-Zeug. Er wählt – seit Jahrzehnten CDU, obwohl sie ihm noch zu links ist.
Wir sehen, wir können es auch schnell übertreiben, wenn wir plötzlich ein Dutzend Personas haben. Aber der Vorteil liegt auf der Hand. Wir wissen, dass wir Nina leichter mit unserer Botschaft überzeugen können als Frank. Deshalb lassen wir Frank gleich rausfallen und kümmern wir uns um Menschen, die wir erreichen können.
Hätten wir eine größere Kampagne könnten wir zum Beispiel die Frage stellen, welches unserer zahlreichen Motive Nina eher gefallen würde. In unserem Fall müssen wir allerdings Motive finden, die Nina und anderen Leuten eher gefallen als missfallen, weil wir es uns nicht leisten können, für jede Zielgruppe eigene Motive und Slogans zu entwickeln.
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Maßnahmen
Es sollte klar geworden sein, dass die eigentlichen Maßnahmen im Rahmen der Kampagne nur die Spitze des Eisbergs sind. Die Maßnahmen werden von der Öffentlichkeit wahrgenommen, die Vor- und Nachbereitung hingegen kaum. Obwohl die eigentlichen Maßnahmen kürzer dauern können als der Planungsprozess ist das die stressigste Phase für die Kampisten.
Verhalten ändern
Mittlerweile wissen wir, dass eine Verhaltensänderung die Königsdisziplin der Kampagnen ist. Wir sollten daher neue Wege gehen. Plakate mit coolen Sprüchen sind für eine Informationskampagne ganz nett. Aber die Mehrheit der Bevölkerung weiß schon, dass Fahrradfahren gesünder ist als Autofahren – solange man nicht angefahren wird.
Auch das Ökozeugs ist schon bekannt.
Aus unserer Analysephase wissen wir bereits, wen wir erreichen wollen und was wir dafür tun müssen.
Print und Online
Mittlerweile gilt, dass sowohl Print als auch Online vorhanden sein muss und dass sich beide Kanäle ergänzen. Die einen erreicht man im Internet nicht, die anderen lesen keine Broschüren.
Wir verwenden einheitliche Gestaltungsregeln für unser Print- und Online-Produkt. Die Hauptfarbe ist natürlich rot, nicht unbedingt die beste Farbe, aber wenn es um Blut geht leider unausweichlich.
Kern unseres Auftritts ist natürlich unsere Webseite. Sie enthält Basisinformationen zu unseren Themen. Ich halte es immer für sinnvoll, wenn das Kampagnenteam auf der Webseite vorgestellt wird. Das gibt dem ganzen eine persönliche Note und macht die Webseite und die Kampagne sympathischer.
Ein Sozial-Media-Kanal sollte nicht fehle, ich tendiere in diesem Fall eher zu Facebook, aber auch Pinterest wäre okay. Ein Kanal, der nur als weiterer Verbreitungskanal ohne Rückkanal genutzt wird, funktioniert in der Regel nicht. Ein Profil, das offensichtlich nicht regelmäßig mit Inhalten gefüllt wird ist schlechter als gar kein Profil. Es sollten nur die Dienste genutzt werden, die auch mit Inhalt gefüllt und personell betreut werden können. Verzichtet also darauf, überall Profile anzulegen, obwohl ihr die Kanäle nicht befüllen könnt.
Öffentlichkeitsarbeit
Wir hatten vor, eine große Geschichte in Episoden zu erzählen. Die einzelnen Folgen werden wöchentlich oder zweiwöchentlich auf der Webseite veröffentlicht, auf der SM-Plattform angeteasert und eventuell um interessante Links erweitert und abgedruckt.
Schön wäre es natürlich, wenn wir ein Lokalblatt dazu bringen könnten, die jeweils aktuelle Geschichte abzudrucken. So unwahrscheinlich wäre das nicht, weil wir ja lokale Themen behandeln und Menschen aus der Stadt vorstellen. Denkbar ist das, wenn man einen Kontakt in die Lokalredaktion hat. Ansonsten müssen wir die Geschichte selber drucken, etwa in einem Faltblatt oder einer kleinen Broschüre.
In diesem Flyer wird natürlich nur die jeweils aktuelle Geschichte abgedruckt. Wer die komplette Geschichte lesen möchte, muss zur Blutspende gehen;-) Aber Scherz beiseite, im Flyer werden natürlich auch Basisinformationen zur Blutspende sowie ein Hinweis auf die Webseite und den SM-Kanal abgedruckt.
Präsenz zeigen
Und wie diesen Flyer unter die Läute bringen? Da wir nach wie vor nur Human Power und wenig Geld haben und zudem lokal aktiv sind gehen wir auf die Straße. Genauer gesagt machen wir Stände auf. Die echten Onliner überschätzen Online-Maßnahmen und unterschätzen oft die persönliche Anwesenheit vor Ort.
Wenn also die neue Geschichte erscheint, bauen wir an wechselnden Orten unseren Stand auf. Morgens vor einer Schule, mittags vor der Mensa, auf dem Marktplatz und an weiteren wichtigen Orten. Wir unterhalten uns ein wenig mit den Leuten und bauen so Vorbehalte zur Blutspende ab, drücken ihnen einen Flyer in die Hand und hoffen auf Nachhaltigkeit.
Diese Kampagne klingt ein wenig billig und ist es in gewisser Weise auch. Aber ich möchte euch ein kleines Geheimnis verraten, das jeder Marketer kennt. Bei vielen Maßnahmen ist es schon ein Erfolg, wenn man einen von 10000 Kontakten zu einem Kunden macht. Wenn ich mit den oben genannten Maßnahmen 100 Nicht-Spender zu Spendern mache und 300 Läute zumindest positiv über Spenden denken lasse, habe ich einen Erfolg erreicht. Denkt mal an TV-Werbung, was meint ihr, wie viele Läute durch Werbung zum Kauf animiert werden? Verdammt wenige, da könnt ihr euch sicher sein.
Das Kampagnen-Team
Auch wenn wir von einer Low-Cost-Kampagne ausgehen, brauchen wir einiges an Human Power. Ich gehe der Einfachheit davon aus, dass für die Kampagne ein kleines Team zur Verfügung steht, das einen Großteil seiner Zeit mit der Kampagnenarbeit verbringen kann.
Für den Anfang benötigen wir neben dem Kampagnenleiter zumindest am Anfang einen Grafiker und einen Texter, die sich um Motive und Texte kümmern. Wir benötigen dauerhaft jemanden, der sich um die technische Infrastruktur kümmert, z.B. um die Webseite oder die technische Administration der Social-Media-Kanäle. Daneben benötigen wir einen Menschen, der sich inhaltlich um die Pflege der Webseite und der Social-Media-Inhalte kümmert. Ein Online-Redakteur sollte beide Aufgabenbereiche übernehmen können.
Wenn geplant ist, Broschüren oder Plakate zu verteilen, wird natürlich jemand benötigt, der die Dinger aufklebt. Das ist nicht überall gestattet, also ein wenig Erfahrung sollte nicht schaden.
Ist geplant, klassische Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zu machen, wird ein entsprechend erfahrener Mensch benötigt. Schlechte Öffentlichkeitsarbeit kann mehr Schaden anrichten als gar keine.
Der Kampagnenleiter sollte möglichst ein wenig Erfahrung in Kampagnenmanagement haben. Er behält den Überblick, übernimmt die Planung von Zeit, Budget und Ressourcen, motiviert und organisiert das Team und kümmert sich ggf. um die Anpassung von Strategie und Taktik. Er baut wenn nötig Kontakte zu hilfreichen Personen und Organisationen auf und pflegt diese auch.
Fluktuation im Team ist oft nicht zu vermeiden, vor allem, wenn es aus Ehrenamtlichen besteht. Nach Möglichkeit sollte es neben dem Kernteam auch weitere Mitglieder geben, die mit regelmäßigen Aufgaben betraut werden. Wenn eine Person aus dem Kernteam ausfällt, sollte eine dieser Personen aus dem erweiterten Team dessen Position relativ schnell einnehmen können. Das Kernteam sollte aus vier bis sechs Personen bestehen, wobei jede Person eine Stellvertretung haben sollte.
Es ist nicht nötig, ein Team aus lauter PR-Profis zusammenzustellen. Ich finde es hervorragend, Experten aus unterschiedlichen Bereichen zu haben, die ihre jeweils eigene Sicht einbringen können. Auch wenn Wirtschaftswissenschaftler eher unbeliebt sind, bringen sie Talente mit, auf die man nicht verzichten sollte. Im Allgemeinen kennen sie sich mit Strategie-Entwicklung aus, mit Projektmanagement und Rechnungswesen, so dass sie im Team wichtige Aufgaben übernehmen können.
Groß vs. klein
Eine große Organisation hat viele Vorteile: es stehen viele Personen zur Verfügung, das Budget ist größer und die Bekanntheit der Organisation erleichtert z.B. die Pressearbeit. Gleichzeitig ist Größe kein Garant für Erfolg. Große Organisationen neigen dazu, zu konservativ und wenig innovativ zu sein. Sie sind häufig mit sich selbst beschäftigt und geben viel Geld für wenig Wirkung aus.
Kleine Organisationen haben zwar geringe Mittel, sind dadurch aber auch gezwungen, die Mittel sparsam einzusetzen. Sie müssen mehr Kreativität aufwenden und im Prinzip soviel wie möglich selber machen. Das wichtigste Kapital einer Kampagne sind nicht die Webseite, die Plakate und das Budget, sondern die Menschen, die dahinter stehen und ihre Fähigkeiten. Und darin unterscheiden sich große und kleine Organisationen kaum.
Learning by Doing
Als echter Autodidakt denke ich, dass man sich die meisten Dinge selbst beibringen kann. 90 Prozent dessen, was man im Studium gelernt hat, wird man im Berufsleben ohnehin nie brauchen. Deswegen braucht man nicht unbedingt den studierten Grafikdesigner oder den Trainee-PR-Profi. Nützlicher sind Leute, die zum einen flexibel, neugierig, offen und lernfähig sind. Im Idealfall haben sie eine Affinität zum Fotografieren, zur Gestaltung von Webseiten oder zum Schreiben von PR-Texten und können sich das nötige Handwerk im laufenden Betrieb aneignen. Vieles kann man sich auch günstig über Online-Kurse oder die Volkshochschule aneignen.
Das ist aber kein Plädoyer für schlampige Arbeit. Für mich als Einzelperson kann es relativ egal sein, ob ich hier viele Tippfehler mache oder ob meine Bilder verrauscht sind. Für eine Organisation – auch eine kleine – kann Schlamperei tödlich sein. Nehmen wir an, ich machte Fundraising vor Ort und mein Sponsor sieht plötzlich eine handwerklich schlecht gemachte Broschüre, wo vielleicht noch sein Name als Sponsor vorne drauf steht. Auch wenn man sich vieles selbst beibringen kann, ab einem gewissen Zeitpunkt geht es nicht ohne eine bestimmten Grad an Professionalität. Die Themen Recht, Finanzen und PR können leider nicht so locker gehandhabt werden, wie wir das gerne hätten.
Storytelling
Die Erfahrung zeigt, dass Informationen und Botschaften leichter akzeptiert und verstanden werden, wenn sie personalisiert oder storifiziert werden. Kein Mensch ist in der Lage, die Situation von drei Millionen Arbeitslosen zu erfassen. Ab einer bestimmten Größenordnung sind solche Informationen nicht mehr wirklich verarbeitbar. Rational versteht man, dass 30 Millionen Arbeitslose wesentlich mehr sind als drei Millionen, aber emotional kann man weder die eine noch die andere Zahl sinnvoll erfassen. Das ändert sich schlagartig, wenn das Schicksal eines einzelnen Arbeitslosen dargestellt wird. Das muss nicht einmal ein positives Beispiel sein. Der Arbeitslose, der sich tagtäglich durch die Jobbörsen klickt und eine Bewerbung nach der nächsten schreibt kann ebenso eingängig sein wie der Arbeitslose, der kapituliert hat.
Die meisten Geschichten basieren auf sehr einfachen Mustern:
•die Geschichte vom tragischen Helden, der sich trotz aller Widrigkeiten tapfer durchs Leben beißt – Aschenputtel
•die Geschichte vom gefallenen Engel, ein strahlender Held, der von seinem Schicksal geknechtet wurde – Othello, Rambo, Hiob
•die Geschichte vom Drachentöter – David gegen Goliath
•die Geschichte, wie jemand zum Opfer seiner Leidenschaft wird – Moby Dick
Es geht sogar noch einfacher. Fast alle Krimis basieren auf einem einfachen Muster: Irgendwer wird am Anfang ermordet, der Detektiv tritt auf und klärt den Fall. In einem Liebesroman treffen sich zwei Menschen, verlieben sich, zwischendurch tritt ein Konflikt auf, der die Liebe auf die Probe stellt und am Ende wird alles gut.
Das war jetzt eine Abschweifung. Für unsere Blutspende-Kampagne sind diese Muster ungeeignet. Ein schlechter Campaigner würde jetzt vielleicht wieder in die Klischee-Falle tappen. Er würde Menschen auftreten lassen, die die moralische Bedeutung des Blutspendens hervorheben. Aber wir waren uns einig, dass wir nicht in die Moralfalle tappen wollten. Der gehobene Zeigefinger muss also stecken bleiben.
Stattdessen könnten wir Menschen die Gelegenheit geben, über positive Erlebnisse als Blutspender zu berichten. Das muss nicht der Mensch sein, dessen Leben durch die Blutspende gerettet wurde. Manchmal sind kleine Anekdoten wirksamer und vor allem unterhaltsamer. Ein Paar, dass sich über die Blutspende kennengelernt hat, skurrile Figuren, die man dort getroffen hat, ein Mensch, der grünes statt rotem Blut hat – da gibt es genug, man muss nur Ohren und Augen offen halten.
Auch hier ist das Muster simpel: es geht mir besser, seit dem ich Blutspender bin, ich finde es cool, Blut zu spenden und so weiter. Das Ziel ist, der objektiven Perspektive „Blut spenden ist gut“ subjektive Eindrücke hinzuzufügen und zwar von echten Menschen, weil wir uns mit diesen Menschen identifizieren können. Deshalb ist es auch sinnvoll, alle Menschen repräsentieren zu können: egal, welches Alter, Geschlecht, Einkommen oder welchen Lebensstil zu haben. Die Geschäftsfrau sollte also ebenso zu sehen sein wie der Rentner oder der vegane Asket.
Motivation
Ein Campaigner sollte sich mit den grundlegenden Mechanismen der Motivation beschäftigen, wenn er das Verhalten von Menschen ändern möchte. Viele Kampagnen scheitern daran, dass sie den Empfänger falsch entgegen treten. Sie wollen ihn pädagogisch belehren oder ihm Angst machen. An den Antirauch-Kampagnen merkt man, dass beides nicht funktioniert hat. Der Raucher weiß natürlich, dass Rauchen ungesund ist. Er weiß aber auch, dass er normalerweise nicht nach einem Tag tot umfällt, wie es ihm die schwarz umrahmte Botschaft vermittelt. Die Zahl der Raucher in Deutschland ging erst zurück, als das Rauchen in den meisten nicht-privaten Gebäuden verboten und die Tabaksteuer angehoben wurde. Wobei der erste Faktor entscheidend gewesen sein mag, denn in den angelsächsischen Ländern sind die Zigaretten nach wie vor deutlich teurer als in Deutschland und die Raucherquoten sind dort höher.
Beim Rauchen handelt es sich um eine Sucht, die Raucher reagierten erst, als es ihnen möglichst unbequem gemacht wurde.
Auch Geld spielt als Motivationsfaktor eine relativ geringe Rolle, wie wir am Raucher Beispiel sehen. Möglicherweise war es auch ein Fehler, die Tabaksteuer stufenweise anzuheben statt auf einen Schlag.
Als ich früher Blut gespendet habe, habe ich 28 Euro erhalten. Dafür bin ich ca. 20 Minuten zur Klinik gefahren und noch mal 20 Minuten zurück. Inklusive Wartezeit hat der ganze Spaß rund 90 Minuten gedauert, an die 28 Euro hätte ich wohl auch günstiger rankommen können. Für die Plasma-Spende, die sehr viel unbequemer war, wesentlich länger dauert und auch noch einen Termin erfordert bekam der Spender übrigens nur 18 Euro. Dennoch gab es recht viele Spender.
Die Geschichte der Blutspende
Eine Geschichte wird in Episoden erzählt, nicht fortlaufend. Der Tagesablauf eines Menschen ist relativ uninteressant, stattdessen werden Episoden aus seinem Leben erzählt. Für unsere Blutspende-Kampagne könnten wir zum Beispiel den Weg einer Blutspende von der eigentlichen Spende bis zu ihrem Empfänger erzählen.
Das ließe sich recht simpel auf der sachlichen Ebene machen. Aber das würde niemanden vom Hocker reißen. Stattdessen erzählen wir die Geschichte der zahlreichen Personen, die an der Spende beteiligt sind. Da ist der Spender, die Mitarbeiter der Spendenorganisation, der Arzt, der Laborant, der das Blut untersucht, die Schwestern und Pfleger auf der Empfänger-Seite und schließlich der eigentliche Empfänger. Vorstellbar ist eine Geschichte in Fortsetzungen, sozusagen die große Geschichte der Reise des Blutes, in der sich die kleineren Geschichten der beteiligten Personen als Episoden tarnen. Das ist eine hervorragende Möglichkeit, die Leute bei der Stange zu halten, denn jeder möchte wissen, wie die Geschichte weitergeht bzw. wie sie angefangen hat, wenn er später eingestiegen ist.
Im Stil lassen sich die Geschichten als Reportagen aufbauen. Reportagen gehören zur Königsdisziplin des Journalismus, zumindest was die Kunstfertigkeit angeht. Die Bezahlung ist nicht unbedingt besser.
Eine Reportage arbeiten auf mehren Ebenen. In unserem Fall würden wir die persönliche Geschichte der aktuellen Person abwechselnd mit der Information zur Blutspende darstellen. Wir wechseln also zwischen einem erzählerischen und einem Fakten-Stil. Wichtig ist, die einzelnen Episoden mit einem roten Faden zu verbinden, so dass viele kleine Geschichten einen große ergeben. Die Episoden sollen in sich abgeschlossen sein, aber ein großes Ganzes bilden.
Gamification in der Kampagne
Gamification ist ein aktueller Trend, es geht darum, Aspekte aus der Spielewelt in die eigene Projektarbeit einzubringen. Wichtig ist, dass es dabei nicht in erster Linie um Computerspiele, sondern um Spielemechanismen geht, wie sie in allen – auch Offline-Spielen – vorkommen.
Spielplatz
Glaubt man dem Buch „Gamification by Design“ lässt sich jede Aktion spielerisch gestalten. Kinder haben zum Beispiel die Fähigkeit, in jeder beliebigen Situation ein Spiel zu erfinden, das ihnen die Zeit vertreibt. Dafür reichen sehr geringe Hilfsmittel wie ein paar Bauklötze. Kennt ihr einen Erwachsenen, der sich stundenlang mit Bauklötzen beschäftigen kann? Ein wirklich geniales Prinzip ist Lego.
Wie immer versuchen wir zunächst, das Prinzip auf das wesentliche zu reduzieren. Ein Fußballspiel ist jenseits aller Regeln ein recht simples Spiel. Wir haben zwei Mannschaften, es können auch zwei Personen sein, ein Spielfeld, zwei definierte Flächen, die wir als Tore bezeichnen und die sich gegenüber liegen. Der Ball darf nur getreten und nicht mit der Hand berührt werden – das war es schon. Jede Mannschaft versucht, den Spielball in das Tor der anderen Mannschaft zu bekommen.
Auch ein Spiel ist im Grunde nach einem einfachen Prinzip aufgebaut. Der Spieler bekommt eine Aufgabe, die er bewältigen muss. Das ist mein Ernst, das ist der simple Mechanismus in allen Genres vom Ego-Shooter über die Simulation bis hin zum aufwendigen Rollenspiel
Bei Gamification geht es nicht darum, Spiele zu programmieren, was selbst bei kleineren Spielen schon viel Geld kostet. Es geht darum, Ideen aus Spielen in die Kampagne aufzunehmen.
Und natürlich kann das auch offline passieren oder es werden offline und online kombiniert. Eine Schnipseljagd kann zum Beispiel rein offline stattfinden. Sie kann aber ebenso gut mit GPS oder mobilem Internet aufgepeppt werden.
Spielerische Aspekte spielen schon seit langem eine Rolle, nur gab es keinen speziellen Begriff dafür. Ein Quiz ist zum Beispiel ein Spiel: der Teilnehmer testet sein Wissen und bekommt Punkte, wenn er richtig liegt und wenn nicht lernt er zumindest etwas dazu. Ein anderes Spiel ist das Sammeln von Stickern, die in jedem achten Schokoriegel versteckt sind. Als ich jung war, sammelten viele Kinder diese Sticker von bekannten Comicfiguren oder Sportlern, um sie auf dem Schulhof vorzuzeigen oder zu tauschen. Und das Musterbeispiel schlechthin ist natürlich das Überraschungssei, das wohl kaum jemand wegen der tollen Schokolade kaufen würde. Man mag von dem Produkt als solchem halten, was man will, aber die Idee war genial. Eine – allerdings ziemlich langweilige – Spielart ist auch die Verlosung eines Preises.
Die Web-Anwendung Foursquare ermöglicht es, anderen Leuten zu zeigen, wo man sich gerade befindet. Dabei loggt man sich ein, sobald man einen bestimmten Ort erreicht hat. Wer sich am häufigsten an einer Lokation eingeloggt hat, wird zum Bürgermeister dieser Lokation erklärt. Viele Leute konkurrieren um diesen Titel, was sicher die Bekanntheit des Dienstes enorm gesteigert hat. Es gibt Auszeichnungen und Punkte für häufige Logins. Außerdem kann der Standort über Twitter oder Facebook bekannt gegeben werden, ebenso wie die Ernennung zum Bürgermeister.
Es gibt also verschiedene Mechanismen, die ein Spiel zum Spiel machen. Es geht um Zusammenarbeit in der Gruppe, um Konkurrenz, es geht um Erfolgserlebnisse und um den Spaßfaktor. Entscheidend ist, dass die Teilnehmer dazu angehalten werden, etwas zu tun. Das verbessert die Einbindung von Menschen in eine Kampagne. Im Marketing nennt man das auch Call to Action. Die einfache Wahrheit ist, dass Menschen besser verstehen, wenn sie aktiv etwas tun. Das einfache Lesen reicht fast nie, um eine Botschaft zu verankern.
Ein einfacher spielmechanismus ließe sich in Wheelmap einbauen. Nehmen wir an, jeder, der eine Lokation neu hinzufügt und ihre Barrierefreiheit bewertet, erhält zehn Punkte. Wer diese Bewertung bewertet, erhält fünf Punkte, egal, wie die Bewertung ausfällt. Auf der Webseite wird eine Top Ten der Könige eingereicht. Es gibt stufenweise Auszeichnungen für Leute, die Bewertungen abgeben. Für sagen wir 100 Punkte – das entspricht entweder der Einpflege von zehn Orten oder zwanzig Bewertungen erhält man den Titel Straßenfeger. für 1000 Punkte Local Hero und so weiter. Wer seine Leistungen auf Twitter, Facebook oder sonst wo bekannt gibt, erhält weitere Punkte. Wer einen weiteren Spieler gewinnt, der zusätzliche Orte einpflegt bekommt wiederum Punkte und so weiter.
Ich würde Gamification in diesem Sinne nicht als reines Anreizsystem verstehen. Es geht auch darum, dass Menschen eine Form von Anerkennung für ihr Engagement erhalten, das ansonsten als selbstverständlich wahrgenommen wird.
Weiterlesen
Gabe Zichermann. Gamification by Design. O’Reily 2011
InklusionsBlog. Behinderung spielerisch vermitteln
‹ Storytelling und Personalisierung in der Kampagne
Abschluss
Eine Kampagne zeichnet sich dadurch aus, dass sie einen definierten Beginn und ein absehbares Ende hat. Ähnlich wie ein Projekt ist es sinnvoll, die Kampagne mit einem Schlusspunkt auch offiziell zu beenden. Zu einem würdigen Ende gehört eine Auswertung der Reaktionen, ein freundliches Danke an die Community und deren Unterstützung und eine Zusammenfassung der lessons learned – der Erfahrungen. Ich halte es auch für sinnvoll, das Ganze mit einer Party oder einem Grillabend ausklingen zu lassen, wo das Kampa-Team und die Helfer auch symbolisch eine Schluss-Strich setzen können.
Wenn es eine Webseite gab und diese fortgeführt wird, sollte es noch eine Person geben, die sich um eintreffende Mails und Anfragen kümmert und diese ggf. an andere Leute verweist. Man sollte den Kampagenenerfolg nicht dadurch schmälern, dass Mails und Anfragen ins Leere laufen.
Man kann es sich aber auch ganz einfach machen, indem man die Webseite einfach umleitet. In unserem Fall könnten wir den lokalen Blutspendedienst darum bitten, eine kleine Unterseite mit den Infos zur Kampagne einzurichten und unserer eigene Domain darauf umleiten.
Lektüre-Empfehlungen
Ich empfehle hier nur Bücher, die ich selbst gelesen habe. Durch das reine Lesen lernt man nicht viel, man sollte zumindest in der Theorie eine eigene Kampagne entwerfen und damit durchspielen, was man gelesen hat.
Peter Metzinger. Business Campaigning . Springer 2006 ist eher für Fortgeschrittene geeignet
Michael Buchner, Fabian Friedrich, Dino Kunkel (Hg.) Zielkampagnen für NGO: Strategische Kommunikation und Kampagnenmanagement im Dritten Sektor. Lit-Verlag 2006, mit vielen Abbildungen und Beispielen, ein gutes Buch für Einsteiger
Klaus Schmidbauer. Das Kommunikationskonzept: Konzepte entwickeln und präsentieren. Talpa-Verlag 2004, für meinen Geschmack das beste Buch, tiefergehend als das Zielkampagnen-Buch und weniger trocken als Business Campaigning, daher eine klare Lese-Empfehlung. Möchte man nur ein Buch lesen oder kaufen, empfehle ich dieses.