Man redet gerne über das Problem der Parallelgesellschaft, wobei der jeweiligen Gruppe vorgeworfen wird, sich von der Mehrheitsgesellschaft abgrenzen zu wollen. darin steckt auch der Vorwurf der INtegrations- bzw. Assimilationsverweigerung. Mehr oder weniger befürchtet die Mehrheit, dass die Minderheit ihre Werte nicht teilt oder gar vorhat, die Mehrheitsgesellschaft zu verändern.
Barack Obama hat das in seinem Buch „Ein amerikanischer Traum“ von der anderen Seite her beleuchtet und er stellt klar: die Minderheiten verbringen ihre Zeit bevorzugt untereinander, weil sie dort nicht auf ihren Minderheitenstatus reduziert werden.
Ein Schwarzer ist nur ein Schwarzer, wenn er seine Zeit unter Leuten verbringt, die ihn auf das Attribut seiner Hautfarbe reduzieren. Der englisch mit Akzent sprechende Hispanic fühlt sich wohler Unter Leuten, die den gleichen Akzent wie er haben. Der Blinde zieht es vor, unter Blinden zu sein, weil er die Nase voll davon hat, wie ein Riesenbaby behandelt zu werden.
Das gilt natürlich nicht für alle: So mancher versucht genau das Gegenteil: es gibt den Türken, der seine Freunde bewusst unter Deutschen sucht. Und dagegen ist nichts einzuwenden. Genauso wenig läßt sich aber etwas gegen Personen sagen, die sich vernünftig integrieren, ihre Zeit aber dennoch lieber unter sich verbringen. Malcolm X erwähnt am Rande in seiner Autobiographie, wie sich Schwarze der gehobenen Schicht über ihre weißen „Freunde“ aufregen, wenn sie unter sich sind. Und dass die Weißen sich vermutlich untereinander nicht anders verhalten als die Schwarzen, sich also über ihre schwarzen „Freunde“ lustig machen.
Jean Paul Sartre schrieb in seinem Essay „Überlegungen zur Judenfrage“, dass der Antisemit den Juden „macht“. Frantz Fanon zeigte in „Schwarze Haut – Weiße Masken“, wie der Weiße den Schwarzen „macht“. Wir haben uns bis heute von diesen Zuschreibungen nicht verabschieden können, weshalb es auch bis heute für Menschen mit äußerlichen Attributen unangenehm ist, in der Öffentlichkeit aufzutreten. Solange wir uns von solchen Vorurteilen nicht verabschieden, wird es keine große Einigung in der Gesellschaft geben.
Alexis Tocqueville urteilte in „Über die Demokratie in Amerika“ im ersten Band, dass er die Chancen zum Überleben der amerikanischen Gesellschaft nur in einer Vermischung sieht, eine Vermischung, wie sie Barack Obama repräsentiert. Das gilt global und ist durchaus nicht so unwahrscheinlich, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Viele Polen, die um die vorletzte Jahrhundertwende ins Ruhrgebiet zum Kohleabbau eingewandert sind, gelten heute als Deutsche. Niemand kommt ohne weiteres auf die Idee, ein Mensch, dessen Name auf „insky“, „inski“ oder „owski“ endet, habe nicht die deutsche Staatsangehörigkeit oder sei eingewandert.